Ursprung Agiler Entwicklungsmethoden

Agile Methoden (SCRUM) haben ihren Ursprung in japanischen Fertigungsindustrie und wurden später in die Softwarentwicklung übernommen, sie dienen dazu den Entwicklungsprozess flexibler und schlanker zu machen als es bei klassischen Vorgehensmodellen der Fall ist (Wikipedia, Agile Softwareentwicklung). Kernpunkt der Methode ist es, große Projekte in kleinere Projekte aufzuteilen und so die Risiken in der Entwicklung zu miniminieren, sowohl hinsichtlich interner Abhängigkeiten bei größeren Releases als auch in Bezug zum Markt, also zum Nutzer.

Hintergrund und Erfolgsgrundlage der Agilen Softwareentwicklung

Seit Websoftware, also Software-as-a-Service, der de facto Standard der Software geworden ist und diese auf Cloud-Plattformen mit DevOps-Methoden bereitgestellt werden, ist es sowohl in der Entwicklung als auch zum Nutzer hin leichter geworden, kontinuierlich in „kleinen“ Paketen zu entwickeln. Da sich die Nutzung von Webanwendungen auch hervorragend messen lässt, ist es möglich neue Funktionen zu entwickeln und direkt zu messen, ob diese angenommen werden oder bei Nutzern eher unbeliebt sind.  Diese Messung lässt sich technisch noch weiter perfektionieren, indem bei der Bereitstellung A/B-Tests vorgenommen werden, d.h. Nutzer auf verschiedene Varianten (z.B. alt / neu) gelenkt werden und deren Reaktion gemessen wird.

Eine weitere in der Software mögliche Methode des Produktfeedbacks ist das aktive Erfragen von Feedback durch ein POP-Up oder eine Rating-Funktion.

das Agile Manifesto

Die Prinzipien agiler Softwareentwicklung wurden 2001 im sog. „Agilen Manifesto“ zusammengefasst. Die Werte des Agilen Manifesto sind:

„Wir erschließen bessere Wege, Software zu entwickeln,“…
Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge
Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation
Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung
Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans

Das heißt, obwohl wir die Werte auf der rechten Seite wichtig finden, schätzen wir die Werte auf der linken Seite höher ein.“  Siehe auch http://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html

 

Nicht nur die oben erwähnten Möglichkeiten in Technologie (Cloud, Web, DevOps) und Vertrieb (SaaS) sind Treiber der agilen Methoden, sondern insbesondere auch die sich schnell ändernden Anforderungen der Nutzer und die sich schnell wandelnden Märkte (Konkurrenzdruck).

Insbesondere im IT-Markt zeigt sich, dass Großprojekte zu teuer werden, zu viele Risiken mit sich führen und das Ergebnis evtl. die Nutzerbedürfnisse nicht in dem Maß befriedigt, wie es geplant war.

 

Agile Entwicklung in der Fertigungsindustrie

Ursprünglich würde SCRUM in Japan bei bekannten Unternehmen wie Honda, Canon, Epson, Fuji-Xerox und Toyota genutzt, um sehr innovative Produkte abseits der übrigen Organisation zu entwickeln. Dieser Ansatz eines separierten SCRUM-Teams, lässt sich so jedoch schwierig in mittelständischen Unternehmen umsetzten, in denen wenige Engineure, Produktmanager und Außendienstler arbeiten. Durch diese Personalknappheit, arbeiten die beteiligten Personen oft zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten an einem Projekt.

Warum es sich trotzdem lohnt, Agile Produktentwicklung einzusetzten und wie es gehen könnte soll im Folgenden erläutern werden:

Herausforderungen bei der Anwendung agiler Produktentwicklung in der Mechatronik

Die Fertigungsindustrie/Mechatronik besitzt einige Charakterzüge, die es schwieriger machen, agil zu arbeiten:

  1. Produkte sind physisch, aus festen Materialien. Sind sie einmal produziert, verkauft, installiert und in Nutzung, ist es schwierig, sie zu anzupassen. Sie sind als Investitionsgüter oft auf eine jahrelange Nutzung ausgelegt.
  2. Der Entwicklungsprozess ist stärker getrennt vom oft kostenintensiven und auf Masse ausgerichteten Herstellungsprozess in Produktionslayouts als bei Software, d.h. es sind mehr unterschiedliche Parteien beteiligt.
  3. Produkte werden vor Ort beim Kunden in integrierten Umgebungen / Installationen eingesetzt, wodurch eine nachträgliche Änderung, wenn überhaupt möglich, sehr teuer ist.
  4. Die meisten physischen Produkte besitzen kaum eine Feedbackmöglichkeit oder die Möglichkeit, die Nutzung zu messen ähnlich wie in einer Software/Webseite. Hierdurch ist der für agile Entwicklung so notwendige Prozess der Rückmeldung schwierig möglich.

Bedarf agiler Produktentwicklung in der Fertigungsindustrie

Trotz dieser Hindernisse gibt es eine Reihe von Gründen für Industrieunternehmen, Agile Produktentwicklung bestmöglich zu praktizieren:

Eine aktuelle Fallstudie für ein agil entwickeltes Projekt ist die Entwicklung des SAAB Kampfjets Gripen E (Englisch): https://www.scruminc.com/wp-content/uploads/2015/09/Release-version_Owning-the-Sky-with-Agile.pdf

Siehe auch die Zusammenfassung bei (Englisch): https://www.scruminc.com/scrum-in-hardware-guide/ 

Lösungsmöglichkeiten für agile Produktentwicklung in Fertigungsindustrie und Maschinenbau

Im Wesentlichen lassen sich die Ansätze für agile Produktentwicklung in der Industrie in zwei Kategorien unterteilen, die sich jedoch gegenseitig befördern. Zum einen die Erhöhung Agilität in der Produktentwicklung selber und zum Anderen die Prozesse zur Einbindung von Kunden und Anwenderfeedback.

  1. Agilität in der Produktentwicklung selber

    Auch wenn wie oben beschrieben, die Entwicklung physischer Produkte sehr komplex ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten, der „Flexibilisierung“:

    1. Flachere Organisationsform
      In der Softwareentwicklung werden zur Organisation von agiler Entwicklung und agilen Teams Methoden wie SCRUM und KANBAN (ursprünglich aus Fertigungsindustrie) verwendet. Hauptziel ist dabei, Arbeitspakete zu verkleinern und Entwicklungsteams möglichst selbstorganisiert und klein zu halten. Hierdurch wird die Verantwortung auf die ausführende Ebene übertragen und durch kleinere Arbeitspakete ein abschließendes Qualitätsdenken im kleinen Team möglich. Teil dieser Organisationsform ist die Überwindung von Silodenken, von einer linien- zu einer aufgabenorientierten Organisation.
    2. Modularisierung
      Die Flexibilisierung der Entwicklung ist nur dadurch möglich, dass ein komplexes Gesamtprodukt in selbstständige Einzelkomponenten betrachtet wird. Hierdurch lässt sich eine eindeutige Verantwortung für einzelne Module definieren und Weiterentwicklungen sind in Teilbereichen möglich ohne das gesamte System überarbeiten zu müssen.
    3. „Rapid Prototyping“
      Mit Hilfe neuer Simulations- und Produktionstechnologien gibt es viele Möglichkeiten, früh Prototypen zu erstellen, um diese mit Nutzern zu evaluieren. Beispiele sind hierfür: Computersimulationen, 3D-Druck, CNC-Fräsen sowie günstige Materialien.
      Das wichtigste am Rapid Prototyping ist jedoch weniger die Technologie und die Materialien als vielmehr die Methode und Kultur, d.h. den Mut und die Freude daran so früh möglich, auch mit sehr unvollständigen Modellen, in den Dialog zu treten.
  2. Agilität durch bessere Feedbackprozesse

    Alle flexibleren Entwicklungsprozesse verfehlen ihr Ziel, wenn sie zwar interne Komplexitätsrisiken senken, jedoch ohne stetige Rückkopplung zum Kunden erfolgen.

    1. Problemdefinition & Anwenderbeobachtung
      In einer frühen Phase der Produktentwicklung eines Neuprodukts (Ideenphase), ist es wichtig, Anwender zu deren „Problem“ zu befragen bzw. bei der Arbeit zu beobachten.
    2. Design Thinking
      Es können auch Methoden des Design Thinking angewandt werden, um sich in den Anwender/Kunden hineinzuversetzen und mögliche Probleme zu identifizieren und Lösungsansätze zu entwickeln.
    3. Produktfeedback & stetiger Dialog
      Eine Möglichkeit, Kunden bzw. Anwender mit einzubeziehen, ist frühes und/oder regelmäßiges Feedback.
      Hierbei ist es wichtig, es den Anwendern und Kunden so leicht wie möglich zu machen, Feedback zu geben.
      Offenheit für Produktfeedback ist in allen Phasen der Produktentwicklung hilfreich. So kann Produktfeedback zu einem bestehenden Produkt zur Adressierung eines neuen Problems / einer neuen Idee führen, es kann während eines Produktdesignprozesses verwendet werden, ebenso wie Produktfeedback im Produktlebenszyklus helfen kann, die nächste Generation ein bisschen kundenorientierter, also besser zu gestalten.

Die Produktfeedbackplattform Evolute bietet für alle Designphasen und Szenarien flexible Lösungen, da sie auf verschiedenen Geräten (Apple, Android, Browser) funktioniert und genau für die Branche (SHK-Industrie, Fertigungsunternehmen, Maschinenbau) entwickelt wurde.

 

Eine Erklärung, warum Agile Produktentwicklung in der Mechatronik sinnvoll ist und wie man es tun kann. Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Günther Schuh, WZL der RWTH Aachen.

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Weiterführende Links

  1. Studie zum Thema Lean Engineering der Abteilung Innovationsmanagement am WZL der RWTH Aachen in Zusammenarbeit mit der Boston Consulting Group: https://www.agile-produktentwicklung.com/agile-verstehen/aktuelle-studien/
  2. Blogbeitrag „Die fünf Prinzipien des Lean Managements als Grundlage des agilen Manifests“ von Marcus Reitner, BMW
  3. Vortrag von Reiner Koettgen, Trumpf auf den Impulstagen für Einzelfertiger 2018 www.youtube.com/watch?v=bGm1wDnjkIA
  4. Gegenüberstellung von klassischer zu Agiler Produktentwicklung, von Dr. Tim Sturm und Sebastian Märkl, 3DSE Management Consultants GmbH https://www.elektroniknet.de/markt-technik/karriere/gibt-es-ein-best-of-both-worlds-155726.html 
  5. Erste Veröffentlichung zum Thema SCRUm und Lean Managment im Harvard Business Review, 1986 „The New New Product Development Game“  von Hirotaka Takeuchi und Ikujiro Nonaka