Warum sollten Marktforschung und Nutzerbefragungen neu gedacht werden?

In der SHK-Branche ist es meistens so, dass die Kaufentscheider nicht die Anwender der Produkte sind. Konkret Ist es so, dass der Inhaber eines Handwerksbetriebs oder sein Kundendienstleister über die Anschaffung eines Werkzeugs oder die Kooperation mit einer Heizungsmarke entscheidet, obwohl in der täglichen Arbeit die Monteure damit arbeiten müssen. Monteure, die ein Werkzeug täglich 5-10 benutzen und eine Heizung mehrmals die Woche einbauen, haben allerdings eine ganz andere Perspekive auf die Produkte.

 

Überblick: Was ist Marktforschung und was sind Nutzerbefragungen?

Marktforschung im B2B-Bereich

Marktfoschung ist „die systematische Sammlung, Aufarbeitung, Analyse und Interpretation von Daten über Märkte und Marktbeeinflussungsmöglichkeiten zum Zweck der Informationsgewinnung für Marketing-Entscheidungen“

(Christian Homburg, Harley Krohmer: Marketingmanagement: Strategie – Instrumente – Umsetzung – Unternehmensführung. Kapitel 6.1, 3. Auflage. Gabler Verlag, 2009, S. 240., aus Wikipedia )

Klassische Marktforschung betrachtet einerseits den Markt (z.B. Anzahl Zielkunden) und Absatzchancen von Produkten ebenso wie Stimmungen die z.B. über Weiterempfehungsquote („Net Promoter Score“) gemessen werden können.

Methoden der Marktforschung sind

Im B2B-Bereich hat Marktforschung ein paar Besonderheiten:

  1. Dadurch, dass B2B-Kunden ihre Produkte genauer kennen, gleichen Umfragen eher Experteninterviews d.h. der Befragende muss auch mehr Wissen über das Produkt haben
  2. Da bei B2B-Produkten haben persönliche Beziehungen oft einen hohen Stellenwert
  3. die Personen die befragt werden sollen sind oft in ihren Unternehmen sehr beschäftigt, so dass Bereitschaft an Umfragen teilzunehmen sink
    laut Wikipedia-Artikel B2B-Marktfoschung, kann eine Information über die Ergebnisse der Marktforschung die Motivation erhöhen an einer Umfrage teilzunehmen.

Nutzerbefragung oder User-Research /  UX-Design

Im Vergleich zur etwas weiter gefassten Marktforschung betrachtet User Research und UX-Design die Nutzung eines Produktes aus Anwenderperspektive und stellt die Frage: Wie muss das Produkt sein, damit es für den Anwender noch einfacher und schneller, am besten selbsterklärend bedienbar ist?

Die Denkweise, sich auf den Anwendungsfall und die konkrete Handhabung zu konzentrieren stammt aus der Erkenntnis, dass in den heutigen Käufer-Märkten, bei denen es eine große Konkurrenz der Anbieter gibt und viele unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten die Einfachheit und Bedienung als eigener Qualitätsfaktor wahrgenommen werden. Einen großen Auftrieb hat das Produktdesign und die User-Research durch die Softwareindustrie genommen, insbesondere

UX-Design steht hier für User-Interface-Design und stammt aus der Softwarebranche. Dadurch, dass Smartphones Software für jeden zugänglich gemacht haben, ist es so wichtig wie nie zuvor, komplexe Prozesse in einfache Apps abzubilden die jeder versteht. Der hohe Designstandard von Webservices (z.B. AirB`n`B) oder Apps hat dazu geführt, dass auch professioneller Anwender immer weniger verstehen, warum sie sich mit komplexen Bedienoberflächen (für Software) beschäftigen müssen, bzw. für diese sogar Schulungen besuchen sollen.

Eine gute User-Research ist die Grundlage für ein gutes Interface-Design und folglich auch wichtig für ein gutes Produkt. Obwohl die die Marktforschung schon lange Kundenbefragungen kannte oder Beobachtungen bzw. Feld-Tests durchgeführt hat, fokussiert sich die User-Research noch mehr auf den konkreten Anwender.

Ein gutes Bespiel für UX-Design im Maschinenbau ist hier zu lesen: „Deutscher Maschinenbau und Usability“ (www.produktbezogen.de)

Herausforderungen im Spannungsfeld zwischen Marktforschung und UX-Research in der Fertigungsindustrie

SHK-Industrie, Maschinenbau, Anlagenbau, Werkzeugindustrie, kurz alle Investitionsgüterhersteller haben zusätzlich zwei Probleme bei ihrer Marktforschung:

  1. Der Anwender ist nicht der Käufer. In der SHK-Branche werden Kaufentscheidungen über Werkzeuge und Industriepartner (Heizungshersteller, Badhersteller) nicht von den Anwendern getroffen sondern von den Betriebsinhabern / Geschäftsführern. Anwender sind jedoch die Monteure, die täglich 8 Stunden darunter leiden, wenn Zugänge schwer oder Montagen unhandlich sind. Gleiches gilt für Werkzeuge und Maschinen in der Industrie: angeschafft werden sie von Produktionsingeneuren / Meistern, täglich genutzt werden sie von den Facharbeitern in der Produktionslinie.
  2. Die Anwender, d.h. die Monteure/Handwerker oder die Arbeiter sind für Umfragen oder Fokusgruppentests schwer zu erreichen. Da ihre Aufgabe die Montage ist, sind sie für Marktforschung von außen werder telefonisch noch per E-Mail zu erreichen. Betriebe haben kein Interesse, dass sie für „lange Umfragen von der Arbeit abgehalten“ werden.
  3. Im Vergleich zu IT-Anwendern von Bürosoftware, für Apps oder im Internet ist es im Produktdesign für physische Produkte kaum möglich, integrierte Nutzerbefragungen zu integrieren. Integrierte Nutzerbefragungen sind beispielsweise Produktbewertungen beim Online-Kauf oder kurze Bewertungsfragen in Apps. Das schönste Beispiel für eine integrierte Nutzerbefragung ist die Google Maps Navigation, die nach jeder Fahrt fragt, ob man mit der Navigation zufrieden war.

Lösungsmöglichkeiten um User-Research und Marktforschung zu verbinden

Folgende Methoden könnten helfen, den Anwender auch in der Marktforschung der Industrie zu berücksichtigen:

  1. Beobachtungen vor Ort, d.h. auf der Baustelle und in der Produktionshalle
  2. klassische Anwenderpanels / Umfragen explizit erweitern um Monteure und Arbeiter.
    Leider ist diese Methode außerst schwierig / unrealistisch, da wie oben ausgeführt Unternehmen kein Interesse daran haben, „produktive“ Arbeiter zu Marktforschungseinsätzen freizustellen. Organisationsaufgaben werden verlagert an Menschen, die nicht mehr Hands-On involviert sind.
    Angestellte Monteure / Arbeiter haben andererseits oft wenig Interesse, in Ihrer Freizeit Zeit zu verwenden, die der Optimierung des Betriebes dienen, der nicht ihnen gehört.
  3. Fokus auf kleine Betriebe, bei denen Organisatoren noch HandsOn dabei sind, z.B. selbstständige Handwerker
  4. radikaler Vereinfachung von Nutzerbefragungen und bestmögliche Integration in Arbeitsabläufe, so dass es für den Arbeiter/Monteur der wenig schreiben will und wenig Zeit hat, möglich wird Feedback zu geben. Siehe hierzu auch evolute.app/produktfeedback-app/